Wenn du ein Fremder wirst, und ein neues Leben beginnst
Ich sitze in meinem alten Stammpub, in welchem ich mit 18-20 schon fast zum Inventar gehört habe. Hier sieht alles wie immer aus: die Bilder an der Wand vergilben durch den andauernden Zigarettenrauch, die Holztische haben 2-3 Kerben mehr bekommen doch die Klospühlung ist immer noch kaputt. An den Wänden stehen immer noch die gleichen Namen und Liebesbekenntnisse mit Edding verewigt. Ich bin hier immer "nach Hause" gekommen doch jetzt. Ich schaue mich um, die gleichen Menschen, mit den gleichen Getränken an den gleichen Tischen - vielleicht wurden 1-2 neue Kellner eingestellt aber irgendwas ist anders.
Ein alter Bekannter setzt sich mit Schnapsnase und glasigen Augen neben mich, schaut mich an und seine Message an mich ist "Sauf". Ich nippe an meinem Maracuja-Schorle, lächele freundlich und versuche wieder die Gesprächsfetzen der Anderen durch die laute Musik aufzuschnappen. Es tippt auf meine Schulter und mein Bekannter schüttelt den Kopf schaut mich an und sagt:"Man Bele du hast dich echt verändert!"
Meine ersten Gefühle in dem Moment, eine Mischung aus Angst, Wut, Unverständnis, Verwirrung und Spott - ich fühle mich angegriffen. Ich bin doch der gleiche Mensch wie immer, nur dass ich eben nicht mehr jedes Wochenende hier bin. Diese Situation hat mich sehr nachdenklich gestimmt und ich muss sagen, er hat recht, ich habe mich total verändert - und ich finde es gut.
Ich habe diesen Satz früher immr sehr negativ aufgenommen. Ich wollte nicht anders sein, mich nicht verändern aber ich habe es einfach automatisch durch Dinge wie Auslandserfahrungen, Universität, private Veränderungen, und ich glaube die größten Punkte sind: Wegziehen und neue Herrausforderungen.
Ich bin stolz auf meine Veränderungen und auf den Weg, welchen ich zurück gelegt habe, auf den Menschen der ich heute bin, und Veränderung heißt für mich mitlerweile eines: Bewegung. Egal ob ins negative oder positive, die Akzentuierung ist jedem Menschen frei überlassen. Und ja ich bin heute anders, aber für mich persönlich bin ich mehr bei mir selbst. Die Angst vor Veränderung ist glaube ich immer da, mit 18 habe ich mir immer gewünscht, dass alles so bleibt wie es ist - jetzt bin ich so froh, dass es nicht so ist. Aber natürlich Veränderung tut auch immer weh, so wie ich mich jetzt in Stuttgart zu Hause fühle, fühle ich mich fremd in der alten Heimat und das schon sehr lange.
Veränderung kann uns weiter bringen in unserer Entwicklung und ich glaube wir können nur zu dem Menschen werden der wir sein wollen (wenn wir es nicht schon sind), wenn wir Veränderung zulassen und uns mit uns selbst und unserer Umwelt auseinandersetzen. Ob ich es schlimm finde das in der Heimat alles so ist wie früher? Es ist komisch, aber natürlich auch vertraut und schön, ich bin der Meinung jeder muss das tun was einen glücklich macht. Bei ein paar Menschen sehe ich nur eine Unzufriedenheit und so viel Potential und würde sie am liebsten in einen Koffer packen und in die nächste Stadt verfrachten, aber die meisten sind glücklich und zufrieden. Und das ist das Wichtigste sich in so weit zu verändern, dass man selbst mit sich und seinem Leben glücklich ist. Und auch hier wie in so vielen Dingen geht es um das Leben und Leben lassen.